Tobacco Dancers

Die Künstlerin Birgit Schweiger ist eine malerische Chronistin unserer Zeit. Es sind oft gesellschaftliche Eventaktivitäten unserer Freizeitgesellschaft, die sie inspirieren. In diesem Fall war es ein fotografischer Workshop mit dem Namen Poesie der Bewegung in der Tabakfabrik Linz, der sie zur BildreiheTobacco Dancers inspirierte. Das Augenmerk liegt nicht nur auf dem Tanz in all seinen vielfältigen und beeindruckenden Ausdrucksformen. Der Titel Tobacco Dancers erweitert die Interpretation, indem die Künstlerin auf die wechselhafte Geschichte der Tabakfabrik Linz verweist.

Drei Jahrhunderte lang war diese Industrieanlage zuerst ein Produktionsort von Textilien, später von Tabakwaren, bis das japanische Unternehmen Tobacco International den Betrieb 2009 einstellte. Heute dient der Industriekomplex den Aktivitäten der regen Kunst- und Kulturmetropole Linz und offeriert einen offenen, vielseitigen Art-Space.

Ein Platz, der für die Künstlerin Birgit Schweiger vielfältige Möglichkeiten offeriert, die moderne IT-Welt abzubilden, wobei in diesem Malzyklus noch eine weitere Bedeutungsebene hinzukommt. Es soll nicht nur auf die Geschichte der Tabakfabrik verwiesen werden, sondern – wie die Künstlerin selbst festhält – auch auf die Befreiung der sogenannten „Tschikweiber“ aus der jahrzehntelangen „Tabak-Versklavung“ (Tschik -österreichischer Ausdruck für Zigarette).

Anfang des 20. Jahrhunderts, als das Gebäude zu einer Rauchwarenfabrik umfunktioniert wurde, bestand die Belegschaft zu 90 % aus Frauen und genoss in der damals noch indus-triefeindlichen Linzer Bevölkerung geringe Wertschätzung. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Betrieb jedoch aufgrund der sozialen Wohlfahrt mit ihren arbeitstechnischen Neuerungen zum Vorzeigebetrieb und zu einem beliebten Arbeitsplatz.

Diesen Wandel oder Befreiung thematisiert Birgit Schweiger in ihrem Zyklus Tobacco Dancers auf künstlerische Weise. Unterstützt durch die für ihr Werk charakteristische, dynamische Malweise reduziert sie die Wiedergabe des Raumes bewusst auf architektonische Versatzelemente und kreiert auch durch die expressive Farbigkeit einen bühnenhaften Raum, um die Tänzerinnen im und aus dem Gebäude tanzen zu lassen. Durch die klare Farbwahl wie auch die ungewöhnlichen Perspektiven entsteht eine surreale wenn auch vertraute Welt, in der die Tänzerinnen – losgelöst vom Boden, in ihren wallenden Gewändern schwebend – den Betrachter die dynamischen Pinselstriche als auch die Geschichte nachspüren lassen. Birgit Schweiger versteht es meisterhaft, Vergangenes und Gegenwärtiges thematisch zu verknüpfen und mit ihrer malerischen Virtuosität gleichsam auf eine farbenfrohe und dynamische Zukunft zu verweisen.

Text: Mag. Silvia Müllegger, Kunsthistorikerin, Wien